Polizeigeschichte

Die Geschichte von Interpol

Die größte internationale Polizeiorganisation der Welt, die Internationale Kriminalpoli-zeiliche Organisation – IKPO/Interpol, wurde 1923 in Wien gegründet.

Erstmals wurde im April 1914 versucht, eine internationale kriminalpolizeiliche Organisation einzurichten. Prinz Albert von Monaco lud leitende Juristen, Polizeibeamte und Rechtsanwälte aus aller Welt zum "ersten internationalen kriminalpolizeilichen Kongress" nach Monaco ein. 185 Männer und 3 Frauen aus 25 Ländern kamen zu dieser Tagung. Die Delegationen stammten aus Ägypten, Belgien, Brasilien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, El Salvador, Frankreich, Großbritannien, Guatemala, Italien, Kuba, Mexiko, Monaco, Österreich, Persien, Portugal, Rumänien, Russland, der Schweiz, Serbien, Spanien, der Türkei, Ungarn und den USA.

Die Delegierten brachten zahlreiche Vorschläge ein, berieten über eine zentrale internationale Verbrecherkartei und ein einheitliches, schnelles Auslieferungsverfahren. Das Auslieferungsverfahren sollte für alle teilnehmenden Länder gelten. Nach Abschluss der Veranstaltung vereinbarten die Delegierten ein weiteres Treffen im August 1916. Dazu kam es durch den Beginn des Ersten Weltkrieges nicht mehr.

Gründung 1923

1923 lud Wiens Polizeipräsident Dr. Johann Schober Polizeichefs aus aller Welt zum zweiten internationalen kriminalpolizeilichen Kongress in die österreichische Hauptstadt. Hochrangige Delegierte aus Ägypten, Dänemark, Deutschland, Fiume, Frankreich, Griechenland, Holland, Italien, Japan, Jugoslawien, Lettland, Polen, Rumänien, Schweden, der Schweiz, Tschechoslowakei, Türkei, Ungarn und den USA kamen zu diesem Treffen. Schwerpunkte des Kongresses waren die zwischenstaatliche Amtshilfe der Sicherheitsbehörden, die Bekämpfung der internationalen Kriminalität, die Auslieferung und Ausweisung von Verbrechern sowie die Einführung einer internationalen "Verkehrssprache" der Polizei. Am Schlusstag wurden die Mitglieder der permanenten "Internationalen kriminalpolizeilichen Kommission in Wien – IKPK" ("Commission Internationale de Police Criminelle") gewählt – die Interpol war damit gegründet. Als Sitz der neuen Institution legte die IKPK Wien fest. Erster Präsident war Dr. Johannes Schober; Generalsekretär Dr. Oskar Dressler. In der Polizeidirektion Wien wurde ein "Internationales Büro" eingerichtet. Hauptzweck der IKPK war laut Geschäftsordnung: "Verbürgung und Ausgestaltung gegenseitiger weitestgehender Amtshilfe aller Sicherheitsbehörden im Rahmen der in den einzelnen Staaten bestehenden Gesetze. Sorge für die Schaffung und Ausgestaltung aller Einrichtungen, welche geeignet sind, den Kampf gegen das gemeine Verbrechertum erfolgreich zu gestalten." In dieser Geschäftsordnung sind zwei Prinzipien verankert worden, die noch heute gültig sind:

  • der Vorbehalt des nationalen Rechts und
  • die Beschränkung der Zusammenarbeit auf Delikte des Strafrechts.

Internationale Verbrecherkartei

Zehn Jahre nach der Gründung der Interpol umfasste die Karteikartensammlung der Kommission bereits über 3.200 international aktive Verbrecher. Durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten im März 1938 in Österreich kam es zu Veränderungen in der internationalen kriminalpolizeilichen Organisation. Nach dem Tod des Wiener Polizeichefs und IKPK-Präsidenten Otto Steinhäusl 1940 beanspruchte Himmler-Stellvertreter Reinhard Heydrich das Amt des IKPK-Präsidenten. Er verlegte den Sitz der Kommission nach Berlin und die IKPK wurde als Abteilung V dem Reichssicherheitshauptamt unterstellt. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs kam die Tätigkeit der Kommission zum Erliegen.

Im Juni 1946 wurde die IKPK bei der 15. Generalversammlung in Brüssel in Anwesenheit von 17 Delegationen wieder "ins Leben" gerufen. Bei der Generalversammlung entschieden die Delegierten, die Telegramm-Adresse "Interpol" als neue Kurzbezeichnung für die Organisation zu verwenden. Die Interpol-Zentrale wurde nach Paris verlegt.

Wien war 1956 Veranstaltungsort der 25. Generalversammlung. Die Delegierten beschlossen neue Statuten, die von geringfügigen Änderungen abgesehen, heute noch gültig sind. Der Name wurde in "L’Organisation Internationale de Police Criminelle" ("Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation" – IKPO) geändert.

Seit 1989 befindet sich der Sitz des Interpol-Generalsekretariats in Lyon (Frankreich). Im November 2004 wurde ein Interpol-Verbindungsbüro bei den Vereinten Nationen in New York eingerichtet. In Singapur wird der Interpol Global Complex (IGC) als Ergänzung zum Generalsekretariat in Lyon eingerichtet.

Derzeit hat Interpol 190 Mitgliedstaaten.

Im "Geiste der Menschenrechte"

Interpol ist keine operative Einrichtung und verfügt daher über keine eigenen "Exekutivorgane". Die Souveränität der Mitgliedstaaten bleibt gewahrt, denn die Interpol-Mitarbeiter haben in einem anderen Land keine Exekutivrechte. Die Zusammenarbeit erfolgt "im Geiste der Allgemeinen Deklaration der Menschenrechte". Sie unterliegt dem Verbot jeglicher Diskriminierung aus Gründen der Rasse, Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, Religion oder der politischen Überzeugung. Zusätzlich muss der Gleichheitsgrundsatz sowie das Prinzip der Unschuldsvermutung beachtet werden.

Die wichtigsten Bestimmungen der Interpol-Statuten:

  • Eine möglichst umfassende gegenseitige Unterstützung aller Kriminalpolizeibehörden im Rahmen der in den einzelnen Ländern geltenden Gesetze und im Geiste der "allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" sicherzustellen und weiterzuentwickeln.
  • Alle Einrichtungen, die zur Verhütung und Bekämpfung der Verbrechen des gemeinen Strafrechtes wirksam beitragen können, zu schaffen und auszubauen.
  • Der Organisation ist jegliche Intervention oder Aktivität politischen, militärischen, religiösen oder rassischen Charakters untersagt.

Interpol-Organe

Der Präsident und die drei Vizepräsidenten werden alle vier Jahre gewählt. Das Exekutivkomitee (EC) unterstützt das Präsidium, überwacht die von der Generalversammlung getroffenen Entscheidungen und hat die Aufsicht über die Geschäftsführung des Generalsekretärs. Das EC tagt dreimal im Jahr und besteht aus einem Präsidenten, Vizepräsidenten und neun weiteren Delegierten. Neben Europa bilden Afrika, Amerika, Asien/Ozeanien und Nordafrika/Mittlerer Osten die fünf Regionalzonen.

Das wichtigste Gremium ist die Generalversammlung, die jährlich tagt und an der die Delegierten aus den Mitgliedstaaten teilnehmen. Hier werden die Grundsatzentscheidungen der Interpol getroffen, Funktionäre gewählt, neue Mitgliedstaaten aufgenommen und das Budget beschlossen. Für 2005 stehen Interpol 41,6 Millionen Euro zur Verfügung.

Generalsekretär ist seit 2000 Ronald K. Noble. Das Generalsekretariat in Lyon hat etwa 440 Bedienstete. Es ist die Administrations-, Informations- und Kommunikationszentrale von Interpol.

In jedem Mitgliedstaat besteht ein nationales Landeszentralbüro (LZB). Österreichs LZB befindet sich im Bundeskriminalamt.

Haupttätigkeiten

Fahndungsausschreibungen, Datenbanken und Analysen sind die Haupttätigkeiten von Interpol. Fahndungsausschreibungen ("Notices") erfolgen über das neue "Interpol Global Communications System 24/7" ("I 24/7").

Die Fahndungskategorien der "Notices" sind durch verschiedenfarbige Ecken mit unterschiedlichen Bedeutungen gekennzeichnet. Über Interpol laufen auch Mitfahndungsersuchen ("Diffusions") in einem Teil der Mitgliedstaaten.

Das Generalsekretariat in Lyon betreibt mehrere Datenbanken, die den Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen. Dazu zählen die DNA-Datenbank, AFIS-Datenbank (Automationsunterstütztes Fingerabdruck-Identifizierungssystem) und die ASF-Datenbank (gestohlene Fahrzeuge). Fahndungsdatenbanken bestehen für Personen, Kraftfahrzeuge, Reisedokumente und Kunstgegenstände. Im Generalsekretariat werden operative und strategische Analysen zu verschiedenen Themenbereichen erarbeitet.

Der Kontakt zwischen Generalsekretariat und den Mitgliedstaaten sowie internationalen Organisationen erfolgt über das "Command and Coordination Center" (CCC) rund um die Uhr in den vier Interpol-Sprachen Englisch, Französisch, Spanisch und Arabisch.

Interpol-Emblem

Das Schwert stellt die Tätigkeit der Polizei dar. Die Gerechtigkeit wird durch die zwei Waagschalen symbolisiert. Da die Arbeit der Organisation weltumspannend ist und sich das Hauptquartier in Paris befand, wurde der Globus mit Paris im Zentrum dargestellt. Die Erdkugel ist von Ölzweigen umgeben, um auszudrücken, dass die Polizei im Interesse des sozialen Friedens handelt.

Text: © Werner Sabitzer